Green-Wash Studie soll die Akzeptanz einer umstrittenen Technologie fördern
Der Branchenverband swisscleantech und die Mobilfunkbetreiberin Swisscom wollen mit einer von ihr finanzierten Studie belegen, dass die 5G-Technologie bis ins Jahr 2030 dem Umweltschutz dienen soll. Mit der Studie beauftragt wurden die eidgenössische Materialprüfungsanstalt EMPA und die Universität Zürich. Es wird darin suggeriert, dass nur Dank der 5G-Mobilkommunikation die Implementierung neuer Technologien zur Energieeinsparung möglich sein soll. Statt unvoreingenommen an die Problematik herangehen zu können, wurden den Autoren von den Auftraggebern offenkundig Vorgaben gemacht, die den Blick möglichst auf deren Geschäftsziele lenken sollten. Objektiv betrachtet, muss diese Studie deshalb als Reklamebroschüre respektive als Lobbying-Instrument und keinesfalls als unabhängige wissenschaftliche Arbeit aufgefasst werden.
Inhaltlich betrachtet fällt der geneigten Leserschaft auf, dass sich die Autoren durchs Band bloss ziemlich vage ausdrücken. Die meisten der Darstellungen sind lediglich Prognosen, Vermutungen, Optionen, Szenarien, kaum validierte Hochrechnungen und Spekulationen hinsichtlich der potenziellen Energieeinsparungsmöglichkeiten. Der Fokus wird auf vier Anwendungsbereiche gelenkt, die aber für sich betrachtet keinen unmittelbaren Zusammenhang mit 5G erkennen lassen. Es sind dies flexibles Arbeiten, Smart Grid, automatisiertes Fahren und Präzisionslandwirtschaft. In allen diesen Bereichen gab es in der Vergangenheit schon viele technologisch bedingte Umwälzungen und diese wird es auch in Zukunft geben. Politische Rahmenbedingungen und Anreize werden dafür sorgen, dass bei diesen Veränderungen auch vermehrt Energieeinsparungspotentiale ausgeschöpft werden. 5G ist dafür aber keinesfalls eine zwingende Voraussetzung.
5G soll vorhandene Branchenlösungen konkurrenzieren
Die Autoren gehen scheinbar davon aus, dass man in den genannten Bereichen bislang völlig passiv war und alle nur auf die baldige Verfügbarkeit von 5G gewartet hätten. Die Auftraggeber wie auch die Autoren wissen aber sehr genau, dass dem nicht so ist. In allen aufgeführten Bereichen haben sich nämlich zahlreiche Branchenstandards, Netzwerke und Produkte für die anwendungsspezifische elektronische Kommunikation entwickelt und etabliert. Diese wurden aus Kostengründen auch schon weitgehend energieeffizient optimiert. 5G soll diese konkurrenzieren und dafür werden grosse Mengen an zusätzlicher elektrischer Energie verbraucht werden. Die Geschäftsmodelle der Mobilfunkanbieter sind so ausgerichtet, dass sie möglichst viel Datenvolumen und Kunden an sich binden und zentralisieren müssen. So wird im Bericht dazu behauptet, dass die Nutzung einer einzigen Mobilfunktechnologie und -infrastruktur für gleichzeitig viele verschiedene Anwendungsfälle vorteilhaft sei. Weshalb das für die Nutzer von Vorteil sein soll, wird allerdings nicht genauer erklärt. Vorteilhaft wird das nämlich hauptsächlich für die Mobilfunkanbieter und deren Investoren sein. Weshalb soll beispielsweise ein Treuhandunternehmen, das eine auf seine Branchenbedürfnisse schon lange optimierte Kommunikationsinfrastruktur nutzt zu 5G wechseln, weil damit auch Smart Grid, automatisiertes Fahren und Precision Farming unterstützt wird? Ins Bild der Auftragsarbeit passt es auch, dass nicht darauf eingegangen wird, dass insgesamt vier neue 5G-Infrastrukturen (SBB, Salt, Sunrise, Swisscom) mit viel Energieaufwand parallel und zu den bereits vorhandenen 2G-4G Netzen gebaut, betrieben und unterhalten werden. Lösungen für diese Problematik bietet der Bericht keine.
ICT-Branche wird zum globalen Energiemoloch
Inzwischen wurde im Rahmen von zahlreichen Untersuchungen festgestellt, dass der Stromverbrauch der weltweiten Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien keinesfalls zu vernachlässigen ist. Auf diesen kritischen Aspekt geht auch die Studie ein. Der Anstieg in den vergangenen 10 Jahren war dramatisch und wird sich wegen der sogenannten Digitalisierung rasant fortsetzen. In einem aktuellen Artikel in der Fachzeitschrift «Nature» wird aufgezeigt, dass der Verbrauch auf bis zu 20% des globalen Energieverbrauchs anwachsen könnte. Der Anteil der Mobilfunknetze an diesem Verbrauch ist nicht zu vernachlässigen. In diesem Zusammenhang ist zu ergänzen, dass einige Hundert der bis zu 50`000 geplanten 5G-Satelliten bereits unseren Planeten umkreisen und zusätzlichen Stromverbrauch auf der Erde und im Orbit verursachen, was noch in keiner Studie berücksichtigt wurde.
5G braucht es hauptsächlich für die Unterhaltung
Der Energieverbrauch der Mobilfunknetze korreliert zu einem wesentlichen Teil mit dem übertragenen Datenvolumen. Dieses Volumen wächst rasant, weil die Branche laufend neue Bedürfnisse generiert. Ein Blick auf die verschiedenen Nutzungsbereiche des Mobilfunks ist in diesem Zusammenhang aufschlussreich. So hat das Bundesamts für Kommunikation BAKOM bereits im Jahr 2015 in einem Bericht belegt, dass die starke Zunahme des Datenverkehrs auf der zunehmenden Nachfrage nach Video-Anwendungen (Netflix, Youtube, Mobil-TV, Spiele, Überwachungskameras etc.) basiert. Der Telecom-Ausrüster Ericsson kommt in seinem aktuellen Mobility Report 2020 zum Schluss, dass der Anteil an Videoübertragung im Jahr 2019 etwa 63% betrug und bis ins Jahr 2025 auf etwa 76% ansteigen wird. Ein sehr grosser Teil davon wird bekanntlich für Spiele und pornografische Inhalte verbraucht.
Der Aufbau der 5G-Mobilfunknetze soll demnach hauptsächlich diese Bedürfnisse befriedigen. Aus der Psychologie und Soziologie ist bekannt, dass diese ins Unermessliche steigen können. Da inzwischen einer Mehrheit der Bevölkerung bewusst ist, dass Mobilfunkmasten bzw. deren Strahlung ein Umweltgift mit entsprechenden Risiken sind, stellt sich die grundlegende Frage, ob es diese Kommunikationsbedürfnisse und Inhalte wert sind, die Volksgesundheit aufs Spiel zu setzen und kostbare Energie für Fragwürdiges zu verschwenden. Diese Frage muss insbesondere deshalb gestellt werden, weil der weitaus grösste Teil der Nutzer diese Inhalte gar nicht mobil nutzt, sondern stationär in Wohnungen oder Büros, wo es gesundheitsverträgliche und energieeffiziente Festnetzanschlüsse – in Verbindung mit WLAN – gibt. Mit 5G sollen solche gut funktionierenden Kommunikationslösungen allerdings verdrängt werden, weil sie nicht in die Geschäftsstrategie der Mobilfunkbetreiber passen. Mit dieser Problematik befasst sich die Studie auch nicht.
Energieverbrauch von 5G in der Praxis
Abseits der vielen Werbeversprechen und eingekauften Studien dringen zunehmend kritische Praxisstimmen ans Tageslicht. Nutzer neuer Handys beklagen sich, dass der Akku ihrer Geräte im 5G-Modus viel schneller leer sei als früher, weil offensichtlich mehr Strom benötigt wird. Thermografische Fotoaufnahmen von Mobilfunkmasten belegen, dass 5G-Antennen – trotz gegenwärtig minimaler Auslastung – so warm werden wie die bisherigen Antennen bei Auslastung. Das lässt auf einen unnötig hohen Energieverbrauch im Leerlaufbetrieb schliessen. Je nach Standard und Ausbau, strahlen Handymasten nämlich Tag und Nacht bis zu einem Viertel ihrer maximalen Leistung in die Umwelt ab, ohne dabei auch nur ein einziges Telefongespräch respektive Nutzdatenbit übertragen zu haben.
Fortsetzung folgt...
Zellulärer Mobilfunk ist aufgrund seiner Grundkonzeption extrem ineffizient bezüglich des Energienutzungsgrades. Eine Abkehr von diesen inzwischen über 30 Jahren alten Grundkonzepten könnte zu erheblichen Energieeinsparungen und damit auch zu weniger Strahlungsbelastung führen. Ein innovativer unabhängiger Bericht hätte diese Grundproblematik aufgegriffen und Lösungsansätze präsentiert. Ständerätin Brigitte Häberli-Koller hat, in einem vom Rat bereits angenommenen Postulat, einen Bericht zu nachhaltigen Mobilfunknetzen in der Schweiz verlangt. Es ist sehr zu hoffen, dass daraus nicht auch ein Machwerk der Mobilfunklobby wird.