Lobbyisten und Bundesrätin Leuthard wollen den zweifachen Entscheid des Ständerates zur Beibehaltung der Grenzwerte für Mobilfunkanlagen über die Hintertür umgehen. Eine Stellungnahme des Dachverbandes Elektrosmog Schweiz und Liechtenstein deckt die Hintergründe auf.
Es ist noch keinen Monat her, dass der Ständerat zum zweiten Mal, wie schon 2016, eine Grenzwerterhöhung für die Strahlung von Mobilfunkanlagen ablehnte. Trotzdem verlangen die Mobilfunkbranche und ihre Lobby von Bundesrätin Leuthard, die Grenzwerte im Alleingang und unter Umgehung des Parlaments zu lockern. Entsprechende Aufträge an das Bundesamt für Umwelt sind offenbar bereits erteilt.
Worum geht es den Mobilfunkbetreibern? Im Herbst will der Bundesrat weitere Funkfrequenzen für den Mobilfunk versteigern lassen. Damit die Frequenzen möglichst gewinnbringend genutzt werden können, sollen die Grenzwerte auf Kosten der Volksgesundheit gelockert werden. Die Verantwortlichen wissen dabei sehr genau, dass praktisch alle industrieunabhängigen Studien der letzten 20 Jahre ein hohes Risiko für schwerwiegende Erkrankungen belegen. Wer behauptet, es seien keine gesundheitlichen Schäden durch Funkstrahlung belegt, verbreitet Unwahrheiten oder lügt bewusst. Der gesunde Menschenverstand würde im Sinne der Vorsorge gebieten, die Grenzwerte zu verschärfen statt zu lockern.
Damit Antennenmasten ohne nominelle Grenzwerterhöhung trotzdem stärker strahlen dürfen, diktiert die Lobby einen billigen Trick. Bei der Bestrahlung soll der Grenzwert als Mittelwert über 24 Stunden gerechnet werden. International ist jedoch der momentane Höchstwert massgebend. Der 24-Stunden-Mittelwert würde bewirken, dass die Schweizer Bevölkerung zu einer der weltweit am schlechtesten geschützten würde. Man schüttet niemandem einen Liter kochendes Wasser über die Hände und behauptet dann, über 24 Stunden verteilt sei das bloss ein laues Handbad gewesen. Um den Trick zu verschleiern, wird mit nebulösen Begriffen, Halbwahrheiten und Falschaussagen operiert.
Der Vorstoss der Nationalratskommission erfolgt ausgerechnet jetzt, wo neuste Studien gesundheitsschädliche Auswirkungen von Mobilfunkstrahlung im Bereich des geltenden Schweizer Anlagegrenzwertes belegen – und jetzt, wo Frankreich ein Programm zur Senkung der Antennenstrahlung durchführt. Mobilfunkanlagen sollen dort gemäss Gesetz von 2015 nicht mehr stärker strahlen als bisher die in der Schweiz. Technisch ist es offensichtlich kein Problem, auch bei tieferen Grenzwerten zuverlässige Handy-Dienste anbieten zu können. Statt den Mobilfunk mit gelockerten Grenzwerten zu fördern, wäre es volkswirtschaftlich viel wichtiger, den Glasfaserausbau bis in die Wohnungen endlich voranzutreiben.
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